Mindestvergütung von Pflichtpraktika

Ich sage nein zur Ausbeutung von jungen Menschen in Deutschland!!!

Man stelle sich einen angehenden Medizinstudenten vor, der bereits in seinen Studienort gezogen ist und seine eigene Wohung/Wohngemeinschaft bezogen hat. Dieser muss noch vor Beginn des Studiums sein Pflichtpraktikum in der Pflege ausüben. Dieses Praktikum dauert drei Monate (90Tage) in Vollzeit (38,5 std/Woche). Bei den aktuellen Lebensunterhaltskosten müsste man bei einer Vollzeitwoche und einem Knochenjob in der Medizin von einer angemessenen Bezahlung ausgehen… Hierauf fällt ein klares Nein!!! Es wird nicht bezahlt. Unser Musterstudent erhält keinen Cent für seine Arbeit und muss, dennoch wie jeder andere Mensch in Deutschland, sein Leben finanzieren. Natürlich bleibt ihm die Option Bafög, dies entschädigt jedoch keinesfalls seinen Aufwand bei der Arbeit. Zusätlich bekommt leider noch immer nicht jeder eine Unterstützung durch Bafög unabhängig vom Elternhaus, falls also die Eltern ihr Kind nicht ausreichend unterstützen können, dann bleibt nur das “Entgeld” aus dem Praktikum. Ich möchte keine Ausbeutung in Deutschland im Jahr 2022 sehen. Hören wir endlich auf die jungen Leute auszubeuten und entschädigen sie für ihre Arbeit angemessen. Hören wir auf Menschen vor dem Medizin Studium abzuschrecken. Wir brauchen dieses Personal und diese Expertise!

Auch ich mache aktuell während meines Studiums ein Pflichtpraktikum im Rahmen meines Praxissemesters. Da hier laut dem Staat: “Der Erwerb praktischer Kenntnisse und die Gewinnung neuer Erfahrungen im Vordergrund stehen”, müsste mein Arbeitgeber mich hierfür nicht entlohnen. Hätte ich keinen Arbeitgeber, der junge Leute belohnen will für seine harte Arbeit, würde ich also fünf Monate in Vollzeit arbeiten, ohne einen Cent für mein Leben zu bekommen. Die Unternehmen profitieren doch genauso von der Expertise von jungen dynamischen Menschen in ihren Reihen! Ich fordere deshalb eine Mindestvergütung von Pflichtpraktika von mindestens 800€ im Monat (so bleibt die Gleitzonen-Regelung erhalten, welche bis 1.300€ geht), sofern das Praktikum die Dauer von 89 Tagen übertrifft. Ich persönlich sehe keinen Unterschied zu freiwilligen Praktika und Pflichtpraktika. Wieso belohnt der Staat Menschen, die ein Praktikum freiwillig machen, aber nicht die Menschen die ihre Expertise aus dem Studium noch in einem deutschen Unternehmen einbringen, oder eben in der Pflege sich um unsere Bürger kümmern?! Die Menschen haben bei einem verpflichteten Praktikum auch keinen Wahl und müssen eben dieses Praktikum absolvieren. Gerade das macht es für mich so ungerecht, der Staat versetzt also absichtlich junge Menschen in finanzielle Nöte. Ich finde man sollte Menschen belohnen die ein Studium über einige Jahre auf sich nehmen, denn auch diese Menschen bilden die positive Zukunft unseres Landes.

Das Gegenargument welches ich mir öft anhören muss ist dann, dass das Angebot auf dem Markt sinken wird. Meiner Meinung nach muss man hier weiter denken als nur um die Ecke. Die Unternehmen bei uns suchen händeringend nach jungem Fachpersonal. Oft haben junge Absolventen eine Auswahl an Angeboten. Mit einem Praktikanten haben die Unternehmen die Möglichkeit früh Einfluss auf die Person zu nehmen und sie von ihrem Unternehmensklima zu überzeugen. Auch ist der Austausch mit jungen Menschen erfrischend für andere Arbeitnehmer im beruflichen Alltag. Wenn ein Unternehmen also maßgeblich in die Anstellung von Praktikanten investiert, kann es nur gewinnen. Man kann früh Fachpersonal an sich binden, das Klima wird verbessert durch den Einfluss von jungen und neuen Sichtweisen und die Unternehmen bekommen einen weiteren Blick von außen und entdecken womöglich Prozesse, welche lange veraltet sind.

Wir JuLis sollten uns in erster Linie um mehr Gerechtigkeit und Freiheit für junge Menschen einsetzen. Dieses Vorhaben würde beides unterstützen. Mich erschreckt es eher, dass so ein Antrag nicht schon vor langer Zeit beschlossen wurde. Jede Investition in Bildung zahlt sich aus und jedes einfache Vorhaben, welches mehr Freiheit für junge Menschen herbeiführt, sollte ein Vorhaben von uns JuLis sein!

Blog-Beitrag unseres Beisitzers Giuliano Weiß.

Disclaimer: Blog-Beiträge entsprechen nicht zwangsläufig der Meinung des Kreisverbandes